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Der Autor über sein Schreiben

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VERFREMDUNGSEFFEKT:

In meiner Prüfungsarbeit für das Liz. bei Prof. Staiger an der Uni. Zürich hatte ich das Thema „Der Verfremdungseffekt bei Brecht“ gefasst. Der Verfahren hatte mich sehr beeindruckt. Später konnte ich feststellen, dass ich in meinem eigenen Schrifttum eine Variante dieses Verfremdungseffektes wieder aufgenommen hatte: Ich stellte eher selten direkt etwas dar, sondern übertrage den bestehenden Realitätsabdruck mit meiner Fantasie, mit meinen Bildern und Kuriositäten – die oft, wenn man sie genauer untersucht, gar nicht so kurios und ulkig sind. Das ist aber nun mein Verfremdungseffekt. Ich gehe oft auch vom Denken aus. Das ist mir wichtig. Die philo-sophischen Erzählungen Voltaires sind mir Vorbild. (z.B. Herr Tag heiratet Frau Nacht – wie geht dies aus?) Kunst ist mir eine Übertragung in eine andere Dimension und keine Reportage. Journalismus und Belletristik unterscheiden sich in wesent-lichen Punkten; das Formenfeld der letztern ist grösser. Die Verfremdung zeigt den bekannten und intendierten Effekt Brechts – aus dem Gewohnten heraus genommen für einen neuen Blick – liefert dazu noch Unterhaltung und lässt die Sonne des Humors auf dem Feld der menschlichen Komödie scheinen.

 

ALTERNATIVE:

Andere Wege zu beschreiten, ist typisch für mein Schreiben, andere Themen, andres Vorgehen, nur nicht das alltäglich Altbekannte, nicht das was „in“ ist, „Mode“. Nicht das, mit dem ich als Kulturvermittler ein Leben lang dauernd konfrontiert wurde. Auf jeden Fall der Katalog erweitert, nicht nur unser jetziges Segment. Daher gibt es bei mir Gedichte, Gedankengedichte, Fabeln, Märchen, Sagenvariationen, und eine meiner Kurztexte-Sammlungen heisst typischerweise „Hinter dem Berg“. Die Breite meiner Studien, auch mit Geschichte und Geographie, beinahe eine Zweisprachig-keit in Bezug auf das Französische mit Kultur und Literatur, schlägt sich durch. Es haben sich jedoch besondere Themen im Werk herausgeschält, deren Töne immer wieder angeschlagen werden: Präsent sind die Natur mit Pflanzen, Tieren, Land-schaften, das Gebirge und das Meer, junge und alte Leute, Vergangenheit und Zukunft, die Elemente. Alles Polare spielt eine besondere Rolle, auch das Paradoxe, in dem oft eine Art Wahrheit aufscheinen könnte. (Krimis nicht meine Art – schrieb aber eine Kriminalgeschichte im Sinne von keine Regel ohne Ausnahme.) Wichtig ist die Freiheit, auch des Lesers: Seht, ich nehme alles nicht so ernst, verkünde kein Evangelium, ich will Lesespass und Nachdenken. Ich lasse Ballone in die Lüfte steigen und habe nichts dagegen, wenn sie weiter oben platzen. Übrigens sog. Wahrheiten ändern mit den Ebenen. Sonderlinge stelle ich eigentlich keine dar; aber meinen Personen geschieht oft Queres, Kurioses, oder sie sind Anlass dazu. Eine Gedichtsreihe trägt den Titel „Unverständliches“, d.h. einen Sinn lässt sich in ihnen nur teilweise interpretieren – genau nach unseren Lebensbedingungen.

 

INTENTIONEN, FÜLLE, ABWECHSLUNG:

Ich versuche so zu schreiben, dass die Leser nach dem Zuklappen des Buchdeckels noch etwas in Erinnerung behalten können. In der Musik würde man von Melodien sprechen; hier sind es besondere Bilder, die durch den Text entstehen. Lehren werden keine erteilt durch den Autor, aber hie und da durch das Buch-Personal, also auch indirekt, aber immer im Bewusstsein, dass „alles fliesst“ und sich nichts fixieren lässt. Weisheiten sind manchmal Bestandteil von guten Büchern – als Denkanstoss.                                                                                                                

Und man soll etwas über die weite Welt und deren Vielfalt erfahren können. Auch Parabel- und Symbolartiges, sog. Chiffren, Metaphern können in den Texten auf Grund dieser Haltung auftauchen.

Nicht nur kurze Sätze, nicht nur lange Sätze, beides, schnelles Lesetempo oder Verweilen und Langsamkeit. Der Ausdruck vom Inhalt geprägt; nicht nur die Form hat Bedeutung. Alle Texte, auch die Romane – teils noch nicht erschienen – sind in eher kurze Passagen unterteilt und gehen oft von präzisen Beobachtungen aus. Das entspricht meist unserer Lektüresituation heute trotz gegenteiligem Buchangebot aus finanziellen Gründen. Dabei geht es aber nicht um eine Reduziertheit. Reduzieren musst du, sagt man meist jedem Anfänger mit den besten Absichten; doch die Para-doxie besteht darin, dass die Weltliteratur eher die Fülle präsentiert, entgegen dem allgemeinen Credo in unserem kleinen Land. Die Fülle liegt im Gesamtwerk und in den grösseren variablen Textsammlungen in den einzelnen Bänden. So meine eigene Schreib-Handschrift. Beim „Berg geht zum Meer“ liest man im Nachwort:

Jeder produktive Mensch offenbart durch seine Gedanken und Werke je nach seinen Bedingungen einen Teil des Weltgeheimnisses.

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